Abtreibung ist Mord? Argumentationsstrang
Definition
Zunächst sollte eine klare Definition des Begriffs "Mord" festgelegt werden:
Absichtliche und unbefugte Tötung eines fühlenden Individuums.
Diese Definition ist abgeleitet aus Friedrich Kirchners Wörterbuch der philosophischen Grundbegriffe. [Q1]
Abtreibungen erfolgen absichtlich, daher liegt der Fokus auf der Frage der Befugnis. Eine mögliche Argumentation für eine Befugnis könnte sein, dass der Mensch über seinen eigenen Körper entscheiden darf. Um ethische Widersprüche zu vermeiden – etwa in Fällen von siamesischen Zwillingen –, ist das Argument stärker, wenn nicht nur eine körperliche Verbindung (z. B. durch die Nabelschnur) betrachtet wird, sondern zusätzlich auch die Fähigkeit zu eigenständigem Leben. Wenn der Fötus unabhängig Nahrung aufnehmen, atmen und eigenständig überleben kann (etwa ab Monat X), könnte dies als Kriterium für eine eigene Befugnis über den eigenen Körper dienen. Wichtig ist hierbei die biologische Verbindung zu definieren, um zu vermeiden, dass nicht lebensfähige Menschen (z. B. aufgrund schwerster Behinderungen) fälschlicherweise als ohne Befugnis betrachtet werden.
Ein anderer Ansatz sieht die Befugnis der Mutter darin, Entscheidungen zu treffen, die das Leid minimieren und das Glück maximieren. Wenn eine Abtreibung unter diesen Umständen dem geringeren Übel dient, könnte sie nicht als Mord verstanden werden.
Argumentationsstrang
- Konsens schaffen: Verdeutliche, dass im Idealfall Abtreibungen minimiert werden sollten. Sie sind für alle Beteiligten eine schwierige Entscheidung. Ein erster Konsens erleichtert die weitere Argumentation.
- Utilitaristisches Argument: Wenn früh nach der Befruchtung klar wird, dass Mutter und Kind bei der Geburt nicht überleben würden, steht die Entscheidung zwischen einem oder zwei toten Individuen. Rational kann sich nur für das Überleben der Mutter entschieden werden.
- Befugnis zur Abtreibung: Wenn eine Abtreibung in einem solchen Fall ethisch gerechtfertigt sein kann, ist sie nicht per se Mord. Somit gibt es Umstände, unter denen eine Abtreibung zulässig ist.
- Spätere Schwangerschaftsmonate: Die gleiche Entscheidung kann auch im sechsten oder achten Monat notwendig werden. Selbst zu diesem Zeitpunkt kann eine Abtreibung das geringere Übel sein. Daher ist die Befugnis situationsabhängig und nicht absolut.
Ab wann ist ein Mensch ein Mensch?
Oft wird argumentiert, dass ein Fötus noch kein Mensch sei und daher eine Abtreibung kein Mord sein könne. Doch diese Herangehensweise führt zu komplexen biologischen und philosophischen Fragen.
Die Biologie hat bisher keine eindeutige Grenze festgelegt, ab wann ein Mensch als solcher gilt. Relevante Merkmale für eine Debatte sind motorische Fähigkeiten, der erste Herzschlag oder das zentrale Nervensystem.
Philosophischer Hintergrund
Aristoteles definierte das Menschsein durch die Fähigkeit zur praktischen Vernunft. Die bloße Potenzialität reicht nicht aus, sondern erst mit der tatsächlichen Entwicklung dieser Fähigkeit wird ein Mensch vollständig.
Zudem ist die Argumentation problematisch, den Status "Mensch" als ausschlaggebendes Kriterium für das Tötungsverbot heranzuziehen. Andernfalls könnte dies bedeuten, dass nicht-menschliche Lebewesen keinerlei Schutz genießen und nach Belieben getötet werden dürften, was ethisch kaum vertretbar ist.