Der politische Bias deutscher Medien im Überblick
In einer zunehmend polarisierten Gesellschaft gewinnt die Frage an Bedeutung, wie neutral Medien berichten – oder eben nicht. Politischer „Bias“ beeinflusst die Wahrnehmung gesellschaftlicher Relevanz, die Vertrauenswürdigkeit von Quellen und politische Entscheidungsprozesse. Doch welche Medien in Deutschland sind eher links, rechts oder ausgewogen? Dieser Artikel liefert eine fundierte Übersicht auf Grundlage des größten verfügbaren Bias-Datensatzes.
Begriffserklärung
Der Begriff „Bias“ stammt aus dem Englischen und lässt sich mit „Voreingenommenheit“, „Verzerrung“ oder „Einseitigkeit“ übersetzen. Er wird auch im Deutschen häufig verwendet, insbesondere in Fachbereichen wie Psychologie, Statistik, Medien- und Kognitionswissenschaften.
Im Zusammenhang mit Medien bezeichnet ‚Bias‘ vor allem eine einseitige Darstellung. Bestimmte Themen oder Perspektiven werden überbetont, während andere unterrepräsentiert oder ausgeblendet bleiben. Dies betrifft die Auswahl von Inhalten, die Häufigkeit der Berichterstattung oder auch die Auswahl der Autorinnen und Autoren.
Der grafische Überblick
Die folgende Auswertung zum politischen Bias deutscher Medien basiert auf Berichten des Dienstes Media Bias/Fact Check (MBFC). Diese communitygetriebene Website erstellt eigenständig Bewertungen und greift dabei teilweise auch auf wissenschaftliche Untersuchungen zurück. Obwohl die Seite nicht als wissenschaftliche Quelle anerkannt ist, stellt sie das größte öffentlich verfügbare Datenset zu Medien-Bias zur Verfügung.
Eine Studie der University of Washington aus dem Jahr 2021 [Q1] verglich das MBFC-Datenset mit einer peer-reviewten Arbeit aus dem Jahr 2017 [Q2] und ermittelte einen Cohen’s-Kappa-Koeffizienten von 0,82 – ein Wert, der auf eine „beinahe perfekte“ Übereinstimmung hinweist (Seite 4).
Ground News, ein Unternehmen, das seinen Nutzern Bias-Bewertungen zu Artikeln anzeigt, verwendet ebenfalls bei der Analyse unter anderem MBFC. [Q3]
Wichtig: Die folgende Grafik basiert also auf dem wohl umfangreichsten und überprüften Datenset zu Medien-Bias, stellt jedoch keine wissenschaftliche Analyse im engeren Sinne dar.
Politische Gewichtung ≠ Faktisch Falsch
Eine politische Gewichtung in der Berichterstattung, wie in der folgenden Grafik dargestellt, sagt nämlich zunächst nichts über die faktische Korrektheit aus. So wertet MBFC Die Tageszeitung (TAZ) als links, gibt jedoch an, dass deren Inhalte „größtenteils faktisch korrekt“ [Q4], während das eher rechts eingestufte Compact Magazine eine „niedrige faktische Korrektheit“ [Q5] aufweist.
Ein politisch gewichtetes Medium zu konsumieren, ist somit nicht zwangsläufig faktisch schädlich, wenn man sich dessen bewusst ist. Eher kann bei einer solchen Gewichtung eine differenziertere Haltung abhandenkommen oder die Berichterstattung zu Themen, die weniger in die politische Linie passen, eher dürftig ausfallen.
Quellenverzeichnis
Die zitierten wissenschaftlichen Quellen werden hier im Harvard-Stil angegeben, um ihre dauerhafte Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten:
- Q1: Weld, G., Glenski, M. and Althoff, T. (2021). 'Political bias and factualness in news sharing across more than 100,000 online communities'. In: Proceedings of the Fifteenth International AAAI Conference on Web and Social Media (ICWSM 2021), 15, pp. 796–807. doi: 10.1609/icwsm.v15i1.18104.
- Q2: Volkova, S., Shaffer, K., Jang, J.Y. and Hodas, N. (2017). 'Separating facts from fiction: linguistic models to classify suspicious and trusted news posts on Twitter'. In: Proceedings of the 55th Annual Meeting of the Association for Computational Linguistics (ACL 2017), Vancouver, Canada: Association for Computational Linguistics, pp. 647–653. doi: 10.18653/v1/P17-2102.