Ehemalige NSDAP-Mitglieder in der Nachkriegspolitik
Dieser Artikel enthält vor allem grafische Darstellungen aus Recherchen des Wikipedia-Wikis. Mehr als 200 Autoren [Q1] stellten dort eine Liste von mehreren hundert ehemaligen NSDAP-Mitgliedern und ihren späteren politischen Aktivitäten dar. [Q2] Hier werden diese zusammengetragenen Daten übernommen und der Datensatz in verschiedenen Formaten für journalistische Zwecke visualisiert.
→ Hier die originale Liste aus dem Archiv
Einleitung: Die Parteiwechsel nach dem NSDAP-Verbot
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 wurde die NSDAP von den Alliierten verboten – doch viele ihrer Mitglieder blieben politisch aktiv. Die Grafik "Wohin wechselten NSDAP-Mitglieder?" zeigt, dass ehemalige Nationalsozialisten in fast alle demokratischen Parteien der Bundesrepublik eintraten, besonders häufig jedoch in die CDU.
Interpretationshinweis
Es ist wichtig, die abgebildeten Daten einzuordnen. Es wurden hier jegliche Parteiwechsel einbezogen, um keine subjektiven Prioritäten zu setzen. Einige Mitglieder wechselten beispielsweise zwischen CDU, FDP und CSU oder von der SPD zur SED – hier zählen beide Wechsel. Außerdem sollte man beachten, dass hier nur allgemein bekannte Parteien dargestellt sind. Heute weitestgehend unbekannte Parteien wie NDPD, LDPD oder GB/BHE finden sich ausschließlich in der gesamten Tabelle.
Entscheidend ist jedoch auch die jeweilige Position in der NSDAP – beispielsweise, inwiefern die Gesinnung übernommen wurde, man sich aktiv einbrachte oder SS bzw. SA unterstützte. Es wird auch nicht dargestellt, ob die Gesinnung vor Eintritt klar abgelehnt wurde und wie relevant die schlussendliche Position in der jeweiligen Partei war. Grafiken, die dahingehend differenzieren, sollten in Zukunft beigefügt werden und können gerne via Mail eingesendet werden. Genauere Informationen finden sich schon jetzt in der originalen Tabelle.
Zudem fand der Großteil der Wechsel kurz nach dem Kriegsende statt. Weswegen beispielsweise die AfD, welche von vielen als Nachfolgerin der NSDAP bezeichnet wird, keine bekannten ehemaligen Mitglieder hat, liegt daran, dass ihr erster relevanter Aufschwung um 2017 stattfand – ein zum Kriegsende 20-Jähriger wäre dort schon 92, also mindestens 20 Jahre über der durchschnittlichen Lebenserwartung. [Q3]
Der schwierige Umgang mit der NS-Vergangenheit
Schon vier Jahre nach dem Dritten Reich, also zur ersten Bundestagswahl im Jahr 1949, warb die FDP damit, einen Schlussstrich hinter die NS-Vergangenheit ziehen zu wollen. Eine solche Haltung machte sich auch in der Bevölkerung breit. Tatsächlich endeten die relevantesten NS-Prozesse auch zu dieser Zeit: So der Nürnberger Prozess am 1. Oktober 1946 und dessen Nachfolgeprozesse am 13. April 1949, der Dachauer Prozess im August 1948, der Mauthausen-Prozess im Mai 1946 und der Buchenwald-Prozess im August 1947. Der Belsen-Prozess, bei dem auch das SS-Personal von Auschwitz verurteilt wurde, endete bereits am 17. November 1945.
Die sogenannte "Schlussstrichdebatte" tritt bis dato immer wieder in der Politik auf. [Q4] Trotz eines erneuten Aufschwungs von Sympathien zum NS in dem letzten Jahrzehnt ergibt eine von Die Zeit zitierte Umfrage des Instituts Policy Matters: Stolze 55 % stimmen der Aussage „80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sollten wir Deutschen einen Schlussstrich unter die Vergangenheit des Nationalsozialismus ziehen“ eher zu. [Q5] [Q6]
Besonders schwere Fälle
Wie bereits erwähnt, ist es wichtig zu unterscheiden, ob es sich bei den Wechseln um "einfache" NSDAP-Mitglieder handelte oder um solche, die das Gedankengut aktiv teilten und gegebenenfalls an Kriegsverbrechen beteiligt waren. Die folgende Tabelle zeigt die Gewichtung nach Parteien ab dem besonders schweren Fall, direkt darunter finden sich die Informationen.
Partei | Anzahl |
---|---|
CDU | 4 |
FDP | 3 |
SRP | 3 |
GB/BHE | 2 |
BHE | 1 |
GDP | 1 |
DPS | 1 |
GuD/DKP-DRP | 1 |
Liste der brisantesten Fälle
- Wolf von Westarp (1910–1982)
- NS-Vergangenheit: 1931–1932 NSSB, 1933–1937 SS → [genaueres siehe Originaltabelle oder weitere Recherche]
- Partei nach 1945: SRP
- Amt: Vorsitzender der SRP-Landtagsfraktion im Niedersächsischen Landtag
- Fritz Dorls (1910–1995)
- NS-Vergangenheit: 1929–1945 → [genaueres siehe Originaltabelle oder weitere Recherche]
- Partei nach 1945: CDU ab 1946, 1949 GuD / DKP-DRP, ab 1949 SRP
- Amt: Vorsitzender der SRP
- Heinrich Schneider (1907–1974)
- NS-Vergangenheit: 1930–1937 → [genaueres siehe Originaltabelle oder weitere Recherche]
- Partei nach 1945: DPS bzw. FDP ab 1950
- Amt: Stellvertretender Ministerpräsident des Saarlandes
- Karl Ritter von Halt (1891–1964)
- NS-Vergangenheit: 1933–1945 → [genaueres siehe Originaltabelle oder weitere Recherche]
- Partei nach 1945: –
- Amt: Präsident des westdeutschen Olympischen Komitees
- Karl Carstens (1914–1992)
- NS-Vergangenheit: Ab 1933 SA, 1940–1945 auch NSDAP → [genaueres siehe Originaltabelle oder weitere Recherche]
- Partei nach 1945: CDU ab 1953
- Amt: Präsident des Deutschen Bundestages 1976–1979, Deutscher Bundespräsident
- Werner Bahlsen (1904–1985)
- NS-Vergangenheit: ab 1942 NSDAP, auch bis jedenfalls 1935 SS → [genaueres siehe Originaltabelle oder weitere Recherche]
- Partei nach 1945: CDU
- Amt: Mitgründer und Vorsitzender des Wirtschaftsrates der CDU in Niedersachsen
- Erich Mix (1898–1971)
- NS-Vergangenheit: 1932–1934 und 1939–1945, SS-Standartenführer → Beteiligung an antisemitischer Verwaltungspolitik als Oberbürgermeister
- Partei nach 1945: FDP
- Amt: Mitglied und Vizepräsident des Landtages Hessen
- Heinz Reinefarth (1903–1979)
- NS-Vergangenheit: ab 1932, auch SS → Verantwortlich für das Massaker an zehntausenden Zivilisten beim Warschauer Aufstand
- Partei nach 1945: GB/BHE
- Amt: Mitglied des Schleswig-Holsteiner Landtags
- Gustav Giesecke (1887–1958)
- NS-Vergangenheit: 1925–1945 → [genaueres siehe Originaltabelle oder weitere Recherche]
- Partei nach 1945: SRP 1949–1952
- Amt: Mitglied des Niedersächsischen Landtages (1951–1952)
- Martin Redeker (1900–1970)
- NS-Vergangenheit: 1933–1945 → [genaueres siehe Originaltabelle oder weitere Recherche]
- Partei nach 1945: CDU
- Amt: Mitglied des Landtags Schleswig-Holstein
- Heinz Lange (1914–1985)
- NS-Vergangenheit: ab 1936; außerdem SS → [genaueres siehe Originaltabelle oder weitere Recherche]
- Partei nach 1945: FDP
- Amt: Mitglied des Landtags Nordrhein-Westfalen 1954–1975, FDP-Fraktionsvorsitzender
- Friedrich-Wilhelm Schallwig (1902–1977)
- NS-Vergangenheit: 1932–1945 → [genaueres siehe Originaltabelle oder weitere Recherche]
- Partei nach 1945: BHE
- Amt: Mitglied des Landtags Baden-Württemberg
- Alfred Gille (1901–1971)
- NS-Vergangenheit: 1937–1945, auch SA ab 1933 → [genaueres siehe Originaltabelle oder weitere Recherche]
- Partei nach 1945: GB/BHE ab 1950, ab 1961 GDP
- Amt: Mitglied des Landtages Schleswig-Holstein