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Wie beeinflusst Bildung das Wahlverhalten? Die Bildungspolarität
7 min 2025-05-08

Bildungspolaritäts-Index bei Wahlen

Der Bildungspolaritäts-Index ist ein Maß dafür, wie stark sich das Wahlverhalten nach Bildungsniveau unterscheidet. Genauer gesagt: Er zeigt die Differenz zwischen den Parteipräferenzen von Personen mit einem hohen Bildungsabschluss und denen mit einem niedrigeren. Je größer der Unterschied, desto stärker ist die sogenannte Bildungspolarität.

Definition und Aussagekraft

Der Index misst die Differenz im Stimmenanteil einer Partei zwischen formal niedrig und formal hoch gebildeten Wählergruppen – üblicherweise zwischen Personen mit maximal Hauptschulabschluss und jenen mit Hochschulabschluss. Je größer diese Differenz, desto stärker die Bildungspolarität.

Ein hoher positiver Wert bedeutet somit, dass eine Partei vor allem von hoch Gebildeten gewählt wird und ein hoher negativer Wert zeigt eine überproportionale Unterstützung durch formal weniger Gebildete.

Was der Index aussagt

  1. Spaltung nach Bildungsgrad sichtbar machen Recht offensichtlich ist, dass bei hohen positiven oder negativen Werten eine Spaltung in der Wählerschaft vorherrscht. Das kann verschiedenste Ursachen haben, jedoch macht es klar, dass entweder die Themen oder wie diese behandelt werden nicht demografieübergreifend gleichermaßen aufgenommen werden können.
  2. Hinweis auf Kommunikationsstrategien In Kombination mit tatsächlichen Wahlwerbespots, dem Programm und Co. meist Schlüsse über die Kommunikationsstrategie gezogen werden. Ist die gewählte Sprache beispielsweise eine akademische und Themen werden komplex und differenziert behandelt könnte darin die Erklärung für Unterschiede liegen. Ebenso ist es möglich, dass Unterschiede aufgrund von ungleichen Priorisierungen in der Themenauswahl entstehen. Parteien mit einem stark negativen Bildungspolaritäts-Index könnten Themen abdecken, die bei einer gehobenen Bildungselite aufgrund anderer Lebensrealitäten weitestgehend unbeachtet bleiben. Es kann auch Gegenteiliges der Fall sein, dass Themen unterkomplex dargestellt oder vermeintlich vorgeschoben werden. Das Ziel: Von den eigentlich guten differenzierten Lösungen unterkomplex oder populistisch abzulenken, um niedriger gebildete Personen zu täuschen.

Was der Index nicht aussagt

  1. Bildung ≠ Intelligenz, Rationalität oder politischer „Wert“ Der Index trifft keine Aussage über die Qualität von Wahlentscheidungen: Eine von Personen mit hohen Bildungsabschluss gewählte Partei muss nicht zwingend den subjektiven Zielen aller Wahlberechtigten entsprechen. Die Partei könnte sich zu stark auf die Bildungselite in akademischen Kreisen fokussieren, sodass Bedürfnisse der restlichen Gesellschaft nicht erkannt werden. Gerade in Ländern, in denen Bildung ein finanzielles Privileg ist, kann auch ein Mensch ohne formalen Bildungsabschluss eine intelligente, rationale Wahlentscheidung treffen.
  2. Bildung ist nicht die einzige Ursache Der Bildungspolaritäts-Index fokussiert sich ausschließlich auf die Bildung, bei der Wahlentscheidung macht diese aber nur einen Teil aus. Weitere Aspekte wie Mediennutzung, Beruf, soziales Umfeld oder politische Sozialisation spielen ebenfalls eine relevante Rolle. Der Grund für berechnete Werte muss nicht zwingend in der Bildung liegen. Bei einer Personengruppe könnte die politische Sozialisierung relevanter sein als der Bildungsabschluss. Würde die gleiche Personengruppe einen anderen Bildungsabschluss erlangen, würde weiterhin die Sozialisierung überwiegen, nicht die Bildung. Bei Parteien nah an der 0-Linie könnte es sich beispielsweise um eine emotionalisierende Partei handeln, sodass der Bildungsgrad gar nicht der ausschlaggebende Faktor, sondern vielmehr die Persönlichkeitsstruktur und Sozialisation der Person.

Aktuelle Berechnung (Bundestagswahl 2025)

Zur Berechnung der Bildungspolarität werden hier Daten von Infratest Dimap verwendet, dieses Institut ist für die Hochrechnungen am Wahlabend in der ARD verantwortlich. Bei der Ermittlung werden repräsentative Wahllokale zufällig ausgewählt, vor denen Wahlberechtigte gebeten werden neben der Bundestagswahlstimme auch einen Fragebogen auszufüllen, anhand dessen diese Daten erhoben werden. [Q1] Die Datenwerte selbst wurden von der Tagesschau Website am 07.05.2025 aufgerufen. [Q2]

Bildungspolaritäts-Index bei der Bundestagswahl 2025

Was kann man aus der Grafik mitnehmen?

  1. Parteien mit hohem positiven Wert (Grüne und Linke) Sprechen überwiegend Personen mit einem hohen Bildungsabschluss an. Es werden möglicherweise komplexere Themen behandelt. Die Partei positioniert sich vermutlich bereits aufklärerisch. Zur Schließung der Lücke bedarf es womöglich einfacherer Formulierungen und eine stärkere Präsenz in alltäglichen, leicht zugänglichen Medien.
  2. Parteien nahe der Null-Linie (FDP und BSW) Haben ein ausgeglicheneres Bildungsprofil. Ihr Auftreten scheint so durchmischt, dass über Bildungsschichten hinweg überzeugt. Es könnte an einem jeweiligen gezielten Targeting oder an einer guten Vermittlungsstrategie liegen.
  3. Parteien mit hohem negativen Wert (AfD) Werden überwiegend von Personen mit einem niedrigen Bildungsabschluss gewählt. Studierte Personen können von der Partei deutlich weniger überzeugt werden. Das könnte damit zusammenhängen, dass angesprochene Themen Personen vor allem Personen mit niedrigem Bildungsstand und daraus meist resultierenden, niedriger bezahlten Jobs ansprechen. Das erfolgt wahrscheinlich in einem populistischen Stil, also gegen Eliten gerichtet oder durch einen wenig akademischen und inhaltlich schwachen Stil, sodass Personen mit hohen Bildungsabschluss nicht von der Partei erreicht werden.

Allgemeine Methodik

Die Berechnung basiert auf bevölkerungsrepräsentativen Wahlanalysen, oft gestützt auf Nachwahlbefragungen (z. B. Forschungsgruppe Wahlen, Infratest dimap, YouGov oder wissenschaftliche Panels). Berücksichtigt wird der Anteil der Stimmen innerhalb jeder Bildungsgruppe, nicht deren absolute Zahl. Die Formel lautet wie folgt:

Bildungspolaritätswert einer Partei = Stimmenanteil unter Hochschulabsolventen – Stimmenanteil unter Hauptschulabsolventen

Mitwirkende
Clarify Wiki Author: Jorit Vásconez Gerlach Jorit Vásconez Gerlach
Selbst Mitwirken
Themen
Bildungspolarität, Bundestagswahlen, Politik, Soziologie
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Diese Seite wurde zuletzt am 08. Mai 2025 um 15:56 Uhr bearbeitet.